Aktuell erreichen uns sehr häufig Meldungen, dass in Nistkästen, in denen zuvor noch das Piepsen von jungen Meisen-Nestlingen zu vernehmen war, plötzlich absolute Stille herrschte. Anhand von Nistkastenkameras bot sich bereits ein trauriges Bild, dass dann beim öffnen der Nistkästen leider bestätigt wurde. Fast flügge Nestlinge, die kurz vor ihrem Ausflug ins Leben standen, waren alle tot.
Was schlussendlich zum Tod der Nestlinge führte, könnte mit Gewissheit nur eine veterinärmedizinische Untersuchung der Nestlinge beantworten.
Allerdings bieten Nistkameras eine sehr gute Möglichkeit, das Geschehen im Nistkasten täglich zu beobachten. So dürfte die nass-kalte Witterung, die zu einem Auskühlen der Nestlinge führte, einen großen Einfluss ausgeübt haben. Eine wesentlich größere Auswirkung dürfte jedoch zudem der vorhandene Insektenmangel verursacht haben.
Fast alle Singvogel-Nestlinge werden in den ersten Tagen ausschließlich mit Insekten gefüttert. Bei einem Rückgang der Insektenbiomasse von ca. 80 Prozent, stellt die Insektensuche für Vogeleltern eine extreme Anstrengung mit erhöhtem Energiebedarf dar.
Zum Unverständnis von Vogelfreunden wurde jedoch, gerade in dieser hochsensiblen Zeit der Vögel, eine komplett unsinnige Futterempfehlung von einer Gruppe Päppler (=Menschen, die zum Hobby Jungvögel per Hand füttern) propagiert. Es wurde dazu aufgefordert, (Zitat) "Fettfutter, Nüsse, Sonnenblumenkerne und „was sonst noch alles so auf dem Markt ist“ (..) unbedingt wegzulassen". Stattdessen, so war aus nur scheinbar kompetentem Munde zu lesen, "sollte auf Sämereien und Wildkräuter zurückgegriffen werden, da zur Brutzeit hinreichend Insekten herumkriechen würden".
Ein fataler Irrtum, der nun zahlreichen Nestlingen das Leben gekostet hat und auch noch kosten wird.
Bei einem Rückgang der Insektenbiomasse von ca. 80 Prozent ist es ein Unding davon zu sprechen, es gäbe hinreichend Insekten.
Der nächste fatale Fehler besteht darin, dass bei dieser unsinnigen Empfehlung vergessen wurde, vermutlich aufgrund fehlender Kenntnisse in Vogelbiologie, dass der Vogelflugmuskel nicht mittels Kohlenhydratstoffwechsel funktioniert. Der Vogel-Flugmuskel beruht, im Gegensatz zum Säugetiermuskel, vorwiegend auf der Lipidoxidation (=Fettverbrennung). Im Gegensatz zu Insekten und Säugetieren weisen fliegende Vögel einen hohen täglichen Energieumsatz auf. Aufgrund der chronisch erhöhten Blutzucker- und Insulinresistenz nutzt der Vogelflugmuskel vorwiegend die Lipidoxidation (Fettverbrennung) zur Fortbewegung, da sie mehr Energie liefert als der Kohlenhydratstoffwechsel. Um die Produktion freier Radikale unter der hohen Stoffwechselrate zu verhindern, haben Mitochondrien des Vogelmuskels eine viel höhere Fähigkeit, Fettsäuren zu oxidieren als z.B. die Mitochondrien der Muskulatur von Ratten (Kuzmiak et al.).
Das bedeutet: Im Brustmuskel wird Fett zu Wasser und Kohlendioxid verbrannt wodurch automatisch dann die Energie zum Fliegen entsteht. Deshalb benötigen Vogeleltern gerade in der Brutzeit sehr viel Energiefutter in Form von z.B. Meisenknödel, gehackte Erdnüsse, geölte Haferflocken und Sonnenblumenkerne und nicht das propagierte „sogenannte Sommerfutter“. Und keine Angst. Jungvögel ersticken nicht an Sonnenblumenkerne. Gesunde Vogelküken spucken in der Regel zu große oder für sie nicht schmackhafte Futterbrocken energisch wieder aus. (Prof. Dr. Dr. h.c. Urs N. Glutz von Blotzheim / und Prof. Peter Berthold)
Das sogenannte „Sommerfutter“ wäre vor ca. 50 Jahren, als es tatsächlich noch reichlich Insekten und natürliche Nahrung in der Natur gab, evtl. zu empfehlen gewesen. In der heutigen Zeit, wo Insekten und natürlicher Nahrung nur noch spärlich vorhanden sind, führt die Empfehlung nur dazu, dass Vogeleltern nicht mehr genug Energie für die Insektensuche besitzen und die spärlich gefundenen Insekten dann auch noch zum großen Teil selber fressen müssen um überhaupt weiter suchen zu können. Diese unsinnige Sommerfutter-Empfehlung führt nur zum Tod zahlreicher Nestlinge und zu entkräftete Vogeleltern. Darum ignoriert bitte diese Sommerfutter-Empfehlung und glaubt dafür lieber anerkannten Experten, die eine Fettfütterung empfehlen. Lasst nicht zu, dass noch mehr Jungvögel sterben müssen. Danke im Namen der Vögel, die auf euch angewiesen sind.
Quelle: Facebook